Zitat(e) aus / Quote(s) from: Warum gibt es keine vernünftigen Kartoffeln mehr? - Essen & Trinken - Süddeutsche Zeitung Magazin
Warum gibt es keine vernünftigen Kartoffeln mehr?
Zu lasch, zu mehlig, zu fad, zu pfff: auf der Suche nach den Gründen eines kulinarischen Verfalls.
Von Ariane Stürmer
Kartoffeln sind Mimosen – Menschen aber auch. Kartoffeln, weil die Hersteller ihre liebe Not haben, ihnen bei Boden, Düngung, Ernte, Verpackung und Lagerung alles recht zu machen. Menschen, weil ihnen immer irgendwas nicht passt an der Kartoffel. Mal ist es der Preis, dann das Aussehen. Seit einigen Jahren sind die Kartoffeln billig und vor allem hübsch, dafür nörgeln wir jetzt, weil sie uns oft nicht mehr schmecken.
Das sagt Rainer Lesch, seit zehn Jahren Kartoffelbauer. Sein Hof liegt in dem Örtchen Gaukönigshofen, einige Hügel südlich von Würzburg. Lesch, Fleecemütze, Staub im Gesicht, die Brille ein wenig verrutscht, sagt, dass Kunden heutzutage Kartoffeln allein nach dem Aussehen kauften. Deshalb baut er die Sorte Gala an – obwohl sie ihm selbst gar nicht schmeckt. Sie lasse sich halt gut vermarkten, »weil sie so schick ist«, sagt Lesch. Aber Schönheit hat ihren Preis. Und die Kartoffel bezahlt mit ihrem Geschmack.
Meist verliert sie ihn irgendwo auf dem langen Weg zwischen Ackerboden und Kochtopf. Kartoffeln, die aus Sandböden wachsen, schmecken oft aromatischer, heißt es zum Beispiel in der Fachzeitschrift Kartoffelbau. Schöner aber werden sie in Tonböden. Will der Bauer vom Kartoffelanbau leben, sät er also lieber eine Sorte, die in seinem Boden weniger Geschmack entwickelt, dafür aber im Laden besser aussieht. Zusätzlich düngen viele Bauern mit Stickstoff, dem Wachstumsturbo. Der Ertrag muss ja auch irgendwie stimmen. Zu viel Stickstoff aber bringt den Stärkehaushalt der Kartoffel durcheinander. Sinkt der Anteil von Stärke unter zehn Prozent, so schmeckt sie wässrig.
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